Lebenszeugnis von Lydia zum Lobpreisgottesdienst am 05. Juli 2004:

Als Traudl mich fragte, ob ich heute Zeugnis über mein Leben mit Gott geben könnte, machte ich mir viele Gedanken.
Wie fing es eigentlich an?

Als Kind der Liebe zwischen zwei Menschen wurde ich in unsere Familie geboren.
Die ersten Gebete, wie: „Jesu Kindlein komm zu mir“ und „Dich liebt o Gott mein ganzes Herz“ kamen mir in den Sinn. Es war immer unwahrscheinlich schön, wenn unsere Mutter abends an unserem Bett saß und mit uns betete. Ich fühlte mich geborgen in ihrer Liebe, aber ebenso in der Liebe von Gott.

Als wir etwas größer wurden, war der tägliche Kirchgang eine Selbstverständlichkeit. Wenn ich von wir rede, denke ich an meine Schwester Gisela, die heute auch hier ist und die einige von euch ja schon kennen.

Gott, das Leben in der Kirche, das Mitwirken durch Vorlesen oder Vorbeten gehörten einfach zu unserem Leben dazu, aber ebenso das Gebet.

Wenn ich an meine Oma denke, die wir ebenfalls täglich besuchten, kann ich mich vor allem daran erinnern, wie sie jedes Mal in ihrer Küche saß, Lieder aus dem Gebetbuch sang oder leise vor sich hinbetete.

Wir hatten eine sehr behütete, liebevolle Kindheit, die auch getragen wurde durch das Gebet lieber Menschen.

Als ich in der 3. Klasse war, wurde unsere Mutter sehr schwer krank. Da wir wirklich Angst hatten, sie würde sterben, begann ich Gott zu bitten, ja eigentlich zu erpressen: „Wenn Mama wieder gesund wird, bete ich jeden Tag ein „Gegrüßet seist du Maria“.
Sie wurde wieder gesund und ich löste mein Versprechen ein.
Doch einmal angefangen, wurde diese Art der Verhandlung mit Gott immer üppiger und plötzlich musste ich jeden Tag 20 „Gegrüßet seist du Maria“ beten, so oft forderte ich Gottes Hilfe gegen Bezahlung heraus.
Da ich immer abends im Bett betete, schlief ich regelmäßig ein, bevor ich diese Menge bewältigt hatte. Die Last wurde täglich mehr und erdrückte mich fast.
Ganz reumütig gestand ich Gott, dass ich das, was ich mir aufgebürdet hatte einfach nicht schaffen kann.
Wir hatten damals in unserem Kinderzimmer viele Jahre lang eine Vase in einer Wandhalterung stecken mit Kunstblumen.
„Lieber Gott, wenn ich nur noch ein Gebet sprechen muss, aber dies aus tiefstem Herzen, dann lass über Nacht die Blumen von der Wand fallen.“, baten Gisela und ich ihn.
Wie berührt waren wir, als am Morgen alle Blumen am Boden lagen.
Dadurch durfte ich viel lernen, meine Beziehung zu Gott wurde anders.
Von da an betete und bat ich ihn im Gebet um etwas – aber ich erpresste und bezahlte ihn nicht mehr.

Als ich 17 war, bat mich unser damaliger Pfarrer einen Chor zu gründen, der neue geistliche Lieder singt. Damals spielte ich gerade mal ein halbes Jahr Heimorgel und Gisela brachte sich selbst etwas Gitarre bei. Da uns diese Lieder schon immer begeisterten, gefiel uns der Gedanke unseres Pfarrers recht gut. Doch wie sollten wir das schaffen?
Im Vertrauen auf Gott fingen wir an.
„De Lumina“ war geboren.
Wir gestalteten Gottesdienste, Krippenspiele, besuchten die Menschen im Altenheim und brachten ihnen selbst gebastelte Geschenke mit. Gerade diese tiefe Freude in den Augen dieser oft so einsamen Menschen, berührt unser Herz immer wieder zutiefst und lässt uns Jesu Gegenwart besonders intensiv spüren.

De Lumina ist für mich mittlerweile der wichtigste Wegbegleiter auf meinem Weg mit Gott geworden. Es gibt eigentlich kaum einen Tag, an dem ich nicht für den Chor bete, für ihn und damit für Gott und die Menschen arbeite, mir Gedanken mache, meine Gedanken über Gott in Texte und Musik verwandle.

Erst vor kurzem durften wir unser 25jähriges Bestehen in einem Konzert in Monheim feiern und wir spürten, dass Gott bei uns war.

25 Jahre sind eine lange Zeit. Es gab auch bei uns Höhen und Tiefen. Doch wenn´s mal besonders schwer wurde, dann konnten wir unsere Sorgen immer ihm anvertrauen: „Jesus, wenn du möchtest, dass wir in dieser Weise weiter für dich arbeiten, dann zeig uns unseren Weg, sei bei uns und hilf uns.“
Und irgendwie kam immer seine Hilfe.
Als einmal mehrere musikalisch sehr wichtige Leute bei uns aufhörten und ich wirklich nicht mehr wusste, wie es weitergehen sollte, kamen neue Musikerinnen zu uns. Erst im nach hinein erkannte ich, dass dies wie eine geistige Heilung für unseren Chor war.

Für Gisela und mich war es immer besonders wichtig, dass wir aus unserem Singen kein Geschäft machen, also für die Auftritte nichts verlangen, da sonst ganz schnell der Sinn des Ganzen verloren gehen würde. Einige Sängerinnen waren überhaupt nicht damit einverstanden, dass wir auch für Hochzeiten kein Honorar forderten.
Sie überstimmten uns im Chor und ich verlangte also vom nächsten Brautpaar einen Unkostenbeitrag. Danach fühlte ich mich so schlecht, dass ich in der nächsten Chorprobe eigentlich fast grantig sagte, solange ich Chorleiterin bin, werde ich dies nie mehr machen.
Und es war wie ein Geschenk des Himmels. Eine Woche später sangen wir wieder eine Hochzeitsmesse und das Brautpaar spendete uns 1000 DM (als Grundstock für eine neue CD). Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie dankbar ich Gott war. Er hatte für uns gesorgt und ich wusste, dass unser Weg richtig war.

Als ich mit De Lumina anfing, war ich eigentlich noch ein unwahrscheinlich schüchterner, ruhiger, junger Mensch, der sich relativ wenig zutraute. Deshalb war es für mich wirklich nicht einfach, ohne Vorkenntnisse einen Chor zu leiten.
Da durfte ich Minni kennen lernen, eine ehemalige Arbeitskollegin.

Sie war einfach so nett und liebevoll zu allen Menschen; es war faszinierend.
An ihr war etwas so Besonderes, man kann es eigentlich nicht erklären, man muss es fühlen und erleben.
Wie schafft sie das nur?, dachte ich mir immer wieder.
Erst nach längerer Zeit kam heraus, dass sie Christin war und eine Art Freund der Fokolarbewegung.

Diese Art, den Glauben zu leben, wollte ich unbedingt kennen lernen. Mit Minni zusammen ging ich nun monatlich zu einem „Wort des Lebens-Kreis“.
Zum ersten Mal hörte ich die Gedanken von Chiara Lubich, dass wir in jedem Menschen Jesus begegnen können,
dass jede Tat der Liebe, eine Art Gebet ist und mir wurde auch zum ersten Mal bewusst, wie sehr Gott uns Menschen liebt, jeden einzelnen von uns, denn er hatte ja das Liebste, seinen Sohn für uns hingegeben.

Durch diese Erkenntnis gewann ich unwahrscheinlich viel an Selbstvertrauen und Offenheit, denn mir wurde bewusst, Gott liebt mich – was gibt es Wichtigeres.
Diese Liebe, die ich von ihm erfuhr, konnte ich nun umso bewusster meinen Nächsten weitergeben.

In dieser Zeit durfte ich auch meine neue Schwägerin Uschi kennen lernen. Sie war uns allen gegenüber sehr distanziert. Doch ich konnte sie von ganzem Herzen so annehmen, wie sie war und ihr meine ganze Liebe schenken,
ja, in der Begegnung mit ihr Jesus finden.
Als ihr erstes Kind zur Welt kam, wollte ich der kleinen Familie eine besondere Freude machen und schrieb für sie das Lied: „Gott hat euch ein Kind geschenkt“ zur Taufe, die De Lumina musikalisch umrahmen sollte.
Von da an erwiderte sie meine Freundschaft mit einer tiefen Herzlichkeit und Offenheit.
Sie erzählte mir auch den Grund ihres abweisenden Verhaltens gegenüber allen:
Sie war evangelisch und hatte nun in ein absolut konservativ katholisches Dorf geheiratet. Bis jetzt waren ihr Gott und die Kirche relativ fremd. Nun musste sie ständig in die kath. Kirche und fühlte sich durch den Druck der Familie und all diesen christlichen Zwängen total überfordert. Durch meine wirklich selbstlose Liebe, fand sie einen Zugang zu Gott und unsere Beziehung wurde so intensiv, dass ich diesen kurzen Weg, den wir gemeinsam auf dieser Welt gehen durften, dankbar als ganz besonders tiefes Geschenk von Gott empfinden darf.

1 Jahr später starb Uschi und im nach hinein wurde mir klar, dass Gott mich als Werkzeug benutzt hat, um Uschi in der kurzen Begegnung ein Stück weit zu ihm zu führen.

In diesem einen Jahr brachte Uschi 3 kleine Kinder zu Welt. Ihr Tod war für uns alle ein Schock. Ich haderte mit Gott und konnte das „Warum“ dieses Schicksals einfach nicht verstehen. Ich fühlte mich total von Gott verlassen. Uschi hatte doch gerade erst begonnen, an ihn zu glauben, warum nun dieser grausame Unfall?

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“, rief Jesus am Kreuz. Auch er hatte diese Verlassenheit durchlebt, diese Gottferne erlebt – freiwillig, aus Liebe für uns, um die Menschen mit Gott zu versöhnen.
In dieser Verlassenheit ist Jesus besonders unser Bruder. Man findet sich in seinem Schmerz wieder und lernt dadurch auch seine große Liebe neu kennen.
Ich bin nun sicher, dass Uschi dort einen Platz gefunden hat, wo sie absolut glücklich sein kann und seine Nähe und Liebe spüren darf.

Wenn ich so auf meine 42 Lebensjahre zurückblicke, habe ich natürlich auch einiges falsch gemacht und oft lieblos gehandelt. Doch Gott hat mich - meist durch andere Menschen - direkt wieder auf meinen Weg gebracht.
Ich denke da z.B. an einen Streit mit meinem Mann. Er hatte mich ziemlich verletzt und ich war richtig sauer auf ihn. Als ich am Abend unseren damals 5jährigen Sohn Fabian ins Bett brachte, fragte er mich, ob ich immer noch grantig auf Papa sei. Ich sagte aus tiefsten Herzen: "Ja und sogar total."
Da meinte Fabian: „Du Mami, schau mal, wenn Jesus den Menschen vergeben hat, die ihn ans Kreuz genagelt haben, da wirst doch du Papa vergeben können, der dir ja viel weniger Schlimmes getan hat!“
Das berührte mich sehr, aber es beruhigte mich das Wissen, dass Gott mir die Chance gibt, jeden Moment neu anzufangen.

Es sind viele kleine Dinge, die uns auf unserem Weg als Christen reifen lassen.
Es gibt auch Zeiten, in denen wir nicht wissen, warum manches so sein muss, wie es gerade ist.

Mir geht es momentan mit unserer Kirche vor Ort so. In letzter Zeit habe ich eigentlich nur verletzende und lieblose Erfahrungen machen dürfen. Ich weis noch nicht, warum dies gerade unter Christen so sein muss.Eigentlich möchte ich von Gott eine Antwort darauf. Vielleicht bin ich auch noch nicht offen, um sie zu hören.

Doch eines weis ich sicher, dass Zeiten, in denen Gott mir nicht so nahe ist, immer so richtige Durststrecken für mich sind, die ich aber auch brauche, um zu erkennen, dass Augenblicke der totalen Gottesnähe, die tiefsten Momente meines Lebens sind und die mich auch immer wieder mit einer tiefen Sehnsucht nach ihm erfüllen.

Gott kennen und lieben zu dürfen ist eine Gnade, für die ich unendlich dankbar bin.

Zurück